#FacesOfPhotography – Teil 40: Meike Kenn aus Berlin

Meike Kenn aus Berlin ist in mehrere Projekte eingebunden und die ersten kleinen Fotojobs finden wieder statt. Dennoch bleibt die Sorge – trotz allen Optimismus‘ – dass die Krise einiges in der Fotobranche zum nicht unbedingt besseren verändern wird. Dazu und auf einige andere Fragen hat Meike den #FacesOfPhotography geantwortet:

Meike, wie geht es Dir?
Ich bin ganz guter Dinge, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich das Glück hatte, gleich die Soforthilfe zu bekommen, ich habe also keinen existenziellen Druck – bis jetzt. Aber ich schwanke auch zwischen guten und schlechten Tagen. Die unzähligen, teilweise sehr widersprüchlichen Informationen und die Unsicherheit, wie und wie lange das so weiter geht, sind schon herausfordernd zu bewältigen. Vielen Leute, auch aus meinem Freundes- und Familienkreis, geht es sehr schlecht gerade, vor allem auch psychisch. Die Isolation ist für einzelne Leute brutal. Das ist alles in allem sehr bedrückend.

Wenn wir keine Krise hätten, woran würdest Du derzeit arbeiten?
Eine Kampagne für eine Hörspielproduktion, das wäre genau jetzt und ist auf unbestimmte
Zeit verschoben. Dafür gehen aber andere, kleinere Zwei-Personen-Shootings gerade
wieder los. Ich fotografiere ja auch viele Schauspieler*innen und bildende Künstler*innen,
da finden jetzt die ersten Shootings wieder statt.

Woran arbeitest Du stattdessen?
Ich habe großes Glück und arbeite an sehr schönen, unterschiedliche Projekten. Zum
einen wurde ich eingeladen an der Online-Ausstellung „Contemplatio“ teilzunehmen:
eröffnet wurde am 30. April 2020 – in tolles Experiment in dieser Zeit und vor allem sehr
gut umgesetzt von Barbara Green und Adam Naparty.
Außerdem mache ich bei einem Buchprojekt Aus.Zeit 2020 von der Agentur Brandcom aus Köln mit, zusammen mit Kollegen wie Per Schorn, Jens Öllermann oder Viviane Wild. Es geht darum, Menschen und Institutionen abzulichten, die besonders schwer getroffen sind von der Krise, wirtschaftlich, psychisch, sozial. Noch kurz vor der Krise habe ich mich außerdem einer Gruppe von Fotografinnen angeschlossen, geleitet von Betty Fink. Wir arbeiten ein ganzes Jahr zusammen, treffen uns regelmäßig (momentan natürlich online) und werden demnächst mit einem Instagram-Kanal an den Start gehen.

Aus dem Buchprojekt Aus.Zeit 2020 von der Agentur Brandcom: Das ist Dominik Bausinger, Inhaber der „Welt Wirtschaft“, gehört zum Haus der Kulturen der Welt.

Wagst Du Dich an eine Prognose für die gesamte fotografische Branche?
Ich möchte optimistisch sein. Aber sicher würde jeder bestätigen, dass auch schon vorher
die Branche in der Krise war. Wird das jetzt noch schlimmer? Vielleicht werden einzelne
Bereiche stärker betroffen sein, als andere. Für die Magazin-Welt ist der ganze Spuk eine
totale Katastrophe, einige wird es vielleicht nicht mehr geben. Ich schätze die großen
Firmen kommen noch am besten weg, aber momentan ist ja irgendwie alles Spekulation.
Ich habe zum Glück keine fette Infrastruktur zu bedienen wie ein kostspieliges Studio oder
Angestellte – und deshalb auch nicht viel zu verlieren.

Wird sich eingedenk der Krisenerfahrungen die Fotografie generell ändern (müssen)?
Schwierige Frage, vermutlich wird sie sich ändern – wir sprechen ja von einem globalen
absolut einschneidenden Ereignis. Generell gibt es gerade ein großes Bewußtsein für die
Relevanz von Kreativen und Künstlern, für die Branche. Wie man ja an der Sofortzahlung
sieht. Dennoch stellt sich natürlich trotzdem die Frage, wer am Ende übrig bleibt. Und
vielleicht auch daraus resultierend, wie begehrenswert dieses Genre „Fotografie“ als
Beruf dann noch ist. Und welche Personengruppen, die dann ja wiederum auch eine
Bildsprache prägen, am Start sein werden. Kommen noch genauso viele junge Leute nach
wie vorher, sind es vielleicht mehr Frauen, weil es für Männer nicht mehr so attraktiv ist?
Welche Jobs werden überhaupt noch vergeben auf dem Markt? Wer springt darauf an?
Aber vor allem darf ja folgendes nicht passieren: dass Fotograf*innen nach der Krise noch
mehr ausgebeutet werden als vorher!

Was ist Dein ganz persönlicher fotografischer Wunsch für eine neue Normalität?
Weiterhin die Zeit zu haben, die ich jetzt habe für freie Projekte. Ich merke, dass sich
meine Herangehensweise ändert, dass ich andere Motive finde und ich mich nochmal neu
mit meiner Fotografie auseinandersetze. Ich wäre glücklich mit einem Grundeinkommen
und der Möglichkeit so weiter arbeiten zu können – ohne den Druck zu haben, jeden Job
mitnehmen zu müssen, der mich dann wiederum zeitlich daran hindert, die Dinge zu tun,
die mich wirklich weiterbringen. Was nicht bedeuten soll, dass ich nicht gerne arbeite, im
Gegenteil. Aber es gibt auch diese andauernde Anspannung, immer am Ball zu sein und
permanent auf dem Höhepunkt der Akquise. Ich wünsche mir, etwas von der Lässigkeit
gegenüber diesen Themen aus den heutigen Tagen mitzunehmen.

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